Was ist die Alternative? – Zur Ökumene fällt Rom schon lange nichts mehr ein

Der 29. Juni 2007, noch keine zwei Jahre her, ist einer der schwärzesten Tage für die Ökumene. Oder hat sich die Finsternis vom August 2000 (Dominus Iesus) nur wiederholt? Erinnern wir uns: Damals stellte Joseph Ratzinger in einem großen Rundumschlag fest, dass keine Religion an die christliche, keine christliche Kirche an die katholische, keine Hochachtung gegenüber Jesus an den altkirchlichen Glauben an dessen Gottheit herankommt. Nur bei uns gibt es Wahrheit, Heil, wirklichen Glauben. Draußen wittern die Gefahren: Relativismus, Subjektivismus, Scheinerlösung, objektiv und in jeder Hinsicht eine „schwer defizitäre Situation“ (Nr. 22). Nur die eigene Kirche besitzt „die Fülle der Heilsmittel“. Die Reaktionären fanden das Dokument hervorragend. Endlich wagt Rom wieder, zu seinen alten Überzeugungen zu stehen. Die Piusbrüder wissen sich ihrem Ziel ein Stück näher, weil sich die katholische Kirche bekehrt. Dabei kommen die evangelischen Kirchen schlecht weg. Kurz gesagt, sie sind „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“, einfacher gesagt: diesen Ehrentitel haben sie nicht verdient. Trotzdem fanden auch viele Protestanten für das Dokument freundliche Worte, weil es so überzeugend von Christus rede; so fangen sie sich in ihrem eigenen Netz. Aber ansonsten hagelt es Proteste und Glaubenshüter Ratzinger selbst verstand die Welt nicht mehr. Es sei ihm doch nur darum gegangen, „ein großes öffentliches Bekenntnis zum Herrsein Jesu Christi abzulegen“, sagt er einen Monat später. Und da die Kritik ausgerechnet mal wieder aus dem evangelisch verseuchten Deutschland kommt, gesteht er offenherzig und nicht ohne Überheblichkeit, dass ihn solche Kritik allmählich langweile. Er hätte sie selbst formulieren können, weil sie sich bei jeder Gelegenheit wiederholt. Macht aber Ratzinger nicht immer denselben Fehler?

Zurück zum Juni 2007: Zu weiterem Nachdenken hat der Papst keinen Anlass gefunden. Wieder lässt er erklären: „im eigentlichen Sinn“ sind die evangelischen Glaubensgemeinschaften keine Kirchen. Wiederum katastrophales Echo. Reflexartig, aber erfolglos wirft Kardinal Lehmann einige Rettungsanker aus, doch von Roms Selbstverliebtheit können sie nicht mehr ablenken. Glaubte Benedikt XVI. wirklich, dass man jetzt gehorsam akzeptiert, was bei ihm vor einigen Jahren noch auf Widerstand stieß? Er sollte sich täuschen, denn der Wind hat sich gedreht und zur Langeweile bleibt dem Papst jetzt keine Zeit mehr. Regelmäßig wird Rom von Wellen der Entrüstung überrollt und sie kommen nicht nur von innen. Die Regensburger Rede (September 2006), die deplazierten Bemerkungen zur „Entdeckung“ Amerikas (Mai 2007), die Demütigung der evangelischen Kirchen (Juni 2007), die Rehabilitation der lateinischen Liturgie (7. Juli 2007), der Vorwurf der Selbstzerstörung an Homosexuelle („Die Regenwälder verdienen unseren Schutz. Aber der Mensch als Geschöpf verdient nicht weniger“, Dezember 2008), die Fürbitte zur Erleuchtung der Juden (März 2008) und die bedingungslose Wiederaufnahme der vier Piusbischöfe in den Schoß der katholischen Kirche (Januar 2009). Homosexuelle, Juden, Muslime, die Indios in Lateinamerika, die Protestanten, reformorientierte Christen, insbesondere Katholiken, die Frauen in jedem Fall, sie alle werden vor den Kopf gestoßen. Was ist der Grund für diese Katastrophen? Geht es um unglückliche Zufälle oder ein einheitliches Konzept? In jedem Fall gibt der Papst seine vorkonziliaren Überzeugungen um keinen Fingerbreit auf. Ich versuche, diesen harten Vorwurf zu begründen. Die aktuelle Gesamtmisere lässt sich in der ökumenischen Situation wie in einem Brennglas bündeln. Sehen wir zuerst, wie sich die ökumenischen Zielsetzungen bei Joseph Ratzinger entwickelt haben. Danach fügen wir diese Entwicklung in Ratzingers Gesamtsicht von Welt und Kirche ein.

Verhärtung seit 1970

In den Studien- und frühen Professorenjahren beschäftigt sich Joseph Ratzinger nur wenig mit der Ökumene. Ihn interessiert die Alte Kirche mit ihren Visionen von einer weltumfassenden, alleinseligmachenden Gemeinschaft. Dazu gehören das Bischofsamt, die Eucharistie, die Fülle allen Heils in Christus, aber auch die „unheilige Heiligkeit“ der Kirche. Diese Unheiligkeit bedeutet für ihn etwas Tröstliches und offen steht für ihn ein Weg der Ökumene, der auf andere Kirchen zugeht. In einem komplex argumentierenden Artikel von 1962 fordert er einen Freimut, wie ihn schon Paulus gegenüber Petrus ausübte. Die Kirche sei sündig und kritisierbar, prinzipiell offen, denn ihre Subsistenz sei nicht mehr das Größte. Noch größer sei ihr „Nicht-Stehen-Bleiben-Können und -Wollen bei sich selber, das Hinausgehen über sich, das Mitteilen, Sich-Eröffnen und Sich-Verschenken.“ Vielleicht habe die Kirche zuviel verlautbart, zuviel normiert, zu wenig Vertrauen in die sieghafte Kraft der Wahrheit gesetzt. Wo aber der Geist des Herrn ist, da sei Freiheit. Kirche beruhe nicht auf der Moralität der Menschen, sondern auf der Gnade, die uns trotz menschlicher Amoralität geschenkt wird. So bleibt für die Kirche ein offener Raum.

Er bleibt auch nach dem Konzil. Wer hätte vor zehn Jahren anzunehmen gewagt, sagt Ratzinger 1966 auf dem Katholikentag in Bamberg, dass die reformatorischen Gemeinschaften offiziell Kirchen genannt werden (149). In unbefangener Selbstkritik spricht er von den kirchlichen Skandalen, die sich unter ehrenwerten Vorwänden ereignen. Die Vorwände lauten: Unabänderlichkeit des Glaubens, die ganze Wahrheit und vorbehaltloser Einsatz für sie.

„Selbstgemachter und so schuldhafter Skandal ist es, wenn unter dem Vorwand, die Unabänderlichkeit des Glaubens zu schützen, nur die eigene Gestrigkeit verteidigt wird… Selbstgemachter und so schuldhafter Skandal ist es auch, wenn unter dem Vorwand, die Ganzheit der Wahrheit zu sichern, Schulmeinungen verewigt werden, die sich einer Zeit als selbstverständlich aufgedrängt haben, aber längst der Revision und der neuen Rückfrage auf die eigentliche Forderung des Ursprünglichen bedürfen. Wer die Geschichte der Kirche durchgeht, wird viele solcher sekundären Skandale finden – nicht jedes tapfer festgehaltene Non possumus (‚wir können nicht’) war ein Leiden für die unabänderlichen Grenzen der Wahrheit, so manches davon war nur Verranntheit in den Eigenwillen, der sich gerade dem Anruf Gottes widersetzte, der aus den Händen schlug, was man ohne seinen Willen in die Hand genommen hatte.“ (Ratzinger 1969a, 318).

Was aber ist die Kirche und was schafft ihre Einheit? Nach Ratzingers schöner Formulierung ist die Kirche noch 1968 „eins durch das eine Wort und das eine Brot“. Im übrigen sei die Kirche nicht von ihrer Organisation, sondern die Organisation von der Kirche her zu denken (Einf. 328). Mit diesen Prinzipien konnte ein jeder Ökumeniker glücklich und zufrieden sein. War das wirklich der Ratzinger von heute?

Ratzinger selbst behauptet, nicht er habe sich geändert, sondern die andern (1985, Zur Lage, 16). Aber schon 1970 hat sich der Ton massiv geändert. Die Bewegung der 1968er Jahre hat ihn traumatisiert. Dreißig Jahre später bleiben ihm noch die „Revolutionseucharistie“ der Pariser Barrikaden und die „blasphemische Art, in der das Kreuz als Sadomasochismus verhöhnt wurde“. Noch immer bezeugt er uns: „Ich habe das grausame Antlitz dieser atheistischen Frömmigkeit unverhüllt gesehen.“ (Leben, 150). Mit oder ohne Marxismus laufen die Erneuerungen aus dem Ruder; die Grenzen werden schon mit der „Demokratisierung der Kirche“ überschritten. Jetzt zeigt sich ein Konservatismus, den man hinter dieser sanften Gestalt nicht erwartet hätte. Die damals geforderte „totale Demokratie“ gerät ihm völlig undifferenziert zur absoluten Unbeschränktheit des Einzelnen und zur Anarchie, – ein Begriff, den er noch als Papst zur Gefahrenanzeige schlimmster Verfehlungen einführt. Solche Simplifizierungen mag man vor vierzig Jahren dem verstörten Theologen Ratzinger noch nachsehen. Fatal werden nur die Folgen, die er daraus für die Kirchenstruktur zieht. Ratzinger geht schrittweise vor: Brüderlichkeit (bzw. Geschwisterlichkeit) taugt für ihn nicht als institutionelles Modell und ein funktionales Amtsverständnis höhlt das Ideal ständiger Dienstbereitschaft aus. Eine charismatische Kirchenordnung hat mit Demokratie schon gar nichts zu tun, weil in ihr der Geist regiert. Noch heute erstaunt es, wie konsequent der empörte Professor den Gedanken vom „Volk Gottes“ konsequent als alttestamentlich relativiert. Man würde gut daran tun, schreibt er, „den missverstandenen Volk-Gottes-Begriff so schnell wie möglich wieder aus der Debatte verschwinden zu lassen“ (29). Hat er auf dem Konzil denn nicht die ganze Kirchendebatte bestimmt? Im Zentrum sieht Ratzinger jetzt die Kirche, verstanden als die versammelte ecclesia, die des Todes und der Auferstehung Christi gedenkt. Erst jetzt wird klar, worauf Ratzinger hinaus will: Es geht ihm um den ersten Vorsteher der eucharistischen Feier, den Bischof also, deren Gesamtheit auf den späteren Konzilien alle Entscheidengen trägt. Mit der Geste des kundigen Historikers bügelt Ratzinger all jene nieder, die auf die Mitwirkung von Laien auf Konzilien verweisen.

Man kann die Folgen dieser Standortbestimmung nicht hoch genug einschätzen, denn Schritt um Schritt enthüllen sich die Folgen für die ökumenische Diskussion. 1973 veröffentlichen sechs ökumenische Universitätsinstitute ein Memorandum zur Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter. Nach ihrem Urteil steht – bestimmte Reformen vorausgesetzt – einer gegenseitigen Anerkennung der Ämter theologisch nichts Entscheidendes mehr im Wege. Wo ein gemeinsamer Glaube an die Gegenwart Jesu Christi im Abendmahl vorhanden ist, ist eine gegenseitige Zulassung zum Abendmahl möglich. Ratzinger lehnt diese Folgerung ab. Den eigentlich neuralgischen Punkt habe das Memorandum mit einem kühnen Schnitt wegoperieren wollen. Es habe die „kirchliche“ Lehre (er meinte natürlich die katholische) nicht einmal erwähnt. Der Stil der Gesprächsverweigerung bahnt sich damals schon an, denn zum einen ist Ratzingers Behauptung schlicht falsch, zum andern geht er auf die intensive Schriftargumentation des Memorandums nicht ein. Wie ein vergleichbares Memorandum dreißig Jahre später zeigt, haben sich Argumentationslage und Gesprächsunfähigkeit nicht verändert: „Die Gewährung eucharistischer Gastfreundschaft findet eine ausreichende theologische Basis in den bereits vorliegenden Ergebnissen der ökumenischen Dialogkommissionen. Wir rufen die Kirchen auf, die Ergebnisse endlich zu rezipieren und in die Praxis umzusetzen.“ Der Glaubenspräfekt hat auch diesen Aufruf mit Schweigen übergangen. Solcherart Theologie interessiert ihn schon lange nicht mehr.

Kontinuierliche Kritik

Doch hat er die Entwicklungen mit Aufmerksamkeit verfolgt. 1982, zu Beginn seiner Amtszeit als Glaubenspräfekt, weist er darauf hin: Die Theologie ist durchgehend auf die ökumenische Dimension verwiesen und dies beinhaltet Fragen für das eigene Denken. „Strukturfragen“ und die „Konstruktionsprinzipien des Ganzen“ drängen sich in den Vordergrund (Prinzipienlehre 1982). Doch der Glaubenspräfekt arbeitet im Hintergrund. Kritisch, oft erschwerend, begleitet er ökumenische Kommissionen. Zu abgerundeten Übereinstimmungen zu Papsttum, Lehr- oder Amtsfragen und kirchlicher Autorität wird es nie kommen; der Hinweis auf zu vertiefende Studien gerät zum Standardargument. Den erzielten Konsens zur Rechtfertigungsfrage vom Oktober 1999 konterkariert der Glaubenspräfekt durch eine „Erneuerung“ der Ablasspraxis, eine geradezu antireformatorische Geste. In drei Dokumenten legt er zu Beginn der 1980er Jahre seine Position mit ihren unversöhnlichen Widerhaken fest.

Im ersten Dokument (1983) setzt er sich sehr kritisch vom anglikanisch-katholischen Dialog über Fragen um Eucharistie, Amt, Autorität und Ordination in der Kirche ab. Lösungen seien nicht in Sicht und es reiche nicht, einander zu respektieren, denn die Wahrheit sei nicht auszuklammern. Auch die Bibel gebe keine Sicherheit. So setzt Ratzinger die katholische Autoritätspraxis, das Verbot der Frauenordination eingeschlossen, einfach voraus und konstruiert einen Zirkel, in den von außen niemand hineinkommt. Die Nähe der Standpunkte führt zur Schroffheit seiner Abgrenzung. Das zweite Dokument (1983) stellt Luthers Erbe zur Diskussion. Erstaunliche Gegensätze werden auch hier herausgearbeitet. Es geht um den Gottesschrecken, dem Luther ausgesetzt war, um eine Rechtfertigungslehre, die die Liebe aus der Heilsfrage ausschließe sowie um eine unzulässige Individualisierung des Glaubensaktes. Diese Kritik ist in den sechziger Jahren schon vorbereitet und wird in der Regensburger Rede wiederholt. Auch hier lässt Ratzinger keinen Spielraum der Interpretationen zu. Das dritte Dokument (1986) bearbeitet die Frage, was wir Katholiken anstreben und erwarten sollen. Der Kardinal sieht einen Stillstand erreicht, nachdem die gefährliche Basisökumene mit ihren Spaltungstendenzen gebannt ist. Aber eine Einheit könne nur Gott stiften, auch die „Obrigkeit“ könne sie nicht beschließen.

Man reibt sich verwundert die Augen, denn auch hier wird der letzte Vorbehalt nicht offen genannt. Ratzinger strebt nur eine entgiftete Verschiedenheit an, die „Zeichenhandlungen der Gemeinschaft“ wach halten können. Offensichtlich meint er eine Freundlichkeit, die alle Partner in ihrem Irrtum fixiert, solange sie sich nicht zur katholischen Kirche bekehren. Hier zeigt sich ein Grundzug päpstlichen Verhaltens, das auch sein Verhältnis zu anderen Religionen durchzieht. Er pflegt Begegnungen und einen freundlichen Umgang, besteht aber hart auf der eigenen Position. Dies gilt auch für die Ordination von Frauen, wozu Ratzinger die Kirche nicht ermächtigt und sich von einem Geschichtsspruch gehalten sieht, der faktisch unfehlbar ist. Spaltungen, so der Glaubenspräfekt, müssen eben sein (1 Kor 11,19).

Die päpstliche Freundlichkeit hat also einen doppelten Boden, denn sie benennt keine Hoffnung auf eine verbindliche Annäherung oder Versöhnung. Seit den 1980er Jahren kreisen alle Auseinandersetzungen um das traditionell katholische Kirchenbild, das Ratzinger seit den 1970er Jahren auf Bischofsamt und Sakramente fixiert. Ausgerechnet am Sitz des Patriarchen von Konstantinopel, dessen Kirche ihm doch näher stehen muss als alle anderen, kann er es nicht lassen, während der gemeinsamen Eucharistiefeier (in der Benedikt XVI. nicht kommuniziert) auf seine besondere Funktion als Nachfolger des Petrus hinzuweisen, da ihm die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut sind. Ausgerechnet dort spricht er entgegen aller altkirchlichen Theologie vom „universalen Dienst Petri“. Zwar soll der Dialog darüber von Barmherzigkeit getragen sein, aber er ist „unter Wahrung seiner Natur und seines Wesens“ auszuüben. Ob sich der Patriarch von Konstantinopel je dem 1. Vatikanum beugen kann?

Ist die Schrift nicht die entscheidende, die einzige ökumenisch unbeschädigte Basis für weitere Gespräche? Der Schrift billigt Ratzinger eben – unbeschadet allen Respekts vor späteren Entwicklungen – keinen eigenständigen Stellenwert zu. Bis hinein in sein Jesusbuch (2007) steht sie unter der Kuratel lehramtlicher, altkirchlich legitimierter Schriftauslegung. So sind zwar ökumenische Freundschaften, aber keine prinzipiellen Fortschritte mehr möglich. Die Grundgestalt der katholischen Kirche ist und bleibt für alle Kirchen normativ. Sie gründet, wenn man so will, in einer überzeitlich ruhiggestellten Überwelt, die der unsrigen gegenübersteht und als Weltkirche alle anderen überragt. Wie Ratzinger ausdrücklich betont, lautet die wahre Rangordnung der Wahrheitsfindung: (1) Glaube des Gottesvolkes, (2) Lehramt, (3) Bekenntnis/Dogma, (4) Schrift, nicht umgekehrt. Denn die Bibel gelte nur als Buch der Kirche. So betreibt Ratzinger eine defensive Ökumene mit dem Ziel, die eigene kirchliche Identität unbeschädigt zu bewahren. Spätestens seit 1985 konnte man dies alles wissen: „Für das katholische Bekenntnis gibt es ohne apostolische Sukzession kein authentisches Priestertum, folglich kann es keine im eigentlichen Sinn sakramentale Eucharistie geben. Wir glauben, dass es vom Begründer des Christentums selbst so gewollt ist.“

Niederschmetterndes Ergebnis

Vor diesem Hintergrund konnte der Schritt zu Dominus Iesus nicht mehr überraschen. Wie der frisch gewählte Papst bald eine Synagoge besucht, ohne sein Überlegenheitsbewusstsein gegenüber dem Judentum aufzugeben, so sucht er am 12. September 2006 während seines Bayernbesuchs den Kontakt mit Vertretern der evangelischen Kirchen. Ein doppeldeutiges Schauspiel wird uns dargeboten. Es sind jene Minuten in Regensburg, in denen der Papst in einer Prozession von St. Ulrich zum Dom schreitet. Er geht diesen Weg zusammen mit seinen Glaubensbrüdern. Zwar tröstet das Symbol des gemeinsamen Weges über manches Versäumnis, auch über die ärgerliche Hintanstellung des evangelischen Bischofs hinter die orthodoxen Würdenträge hinweg. Aber der Papst beschreitet diesen Weg im vollen Ornat, mit Stola, Mitra und päpstlichem Hirtenstab, den Zeichen seiner priesterlichen, bischöflichen und päpstlichen Würde. Wie bescheiden und wirklich brüderlich wirkt daneben Bischof Friedrichs in seinem schlicht schwarzen Talar. Es ist also völlig klar, welchen Glanz der Papst hier vorexerziert, wie er sich als Papst allen anderen, den Protestanten gleich mehrfach überlegen erweist.

„Zu den wesentlichen Folgen des II. Vatikanischen Konzils für die Theologie zählt es, dass ihr Denken und Sprechen nun durchgehend auf die ökumenische Dimension verwiesen ist: So sehr es zunächst aus dem Inneren der kirchlichen Überlieferung schöpfen muss, so wenig kann es daran vorbeigehen, dass andere Weisen der Entfaltung des christlichen Erbes bestehen, die ihm als Frage aufgegeben sind. Die Situation der Theologie bringt es mit sich, dass bei aller sich immer noch ausweitenden Vielfalt ihrer Themen die Strukturfragen, die Fragen nach den Konstruktionsprinzipien des Ganzen, unabweislich in den Vordergrund drängen.“ (5)

Gewiss, niemand kann ihm dieses Verhalten zum Vorwurf machen, denn niemand spricht ihm seine Zeugenschaft des Petrusdienstes ab. Aber die römisch-katholische Kirche ist inzwischen von vielen anderen Kirchen umringt, die sich mit gutem Recht auf Schrift und Traditionen berufen. Seit einem Jahrtausend und in wachsendem Maße steht die römische Kirche im Widerstreit von Meinungen. Ihr Vorrang bedarf also einer gründlichen Neudefinition. Warum kann Rom mit dieser Tatsache immer noch nicht umgehen? Zur Würde einer ökumenischen Begegnung würde es gehören, dass der Papst diesen Vorrang eben nicht demonstrativ ausspielt, sondern ihn – zur neuen Bestätigung vielleicht – zur Verfügung stellt. Das wegweisende Wort Johannes’ XXIII. „Ich bin Joseph, Euer Bruder“, hätte eine andere Inszenierung erfordert. Schließlich findet der Papst selbst das Wort vom Bruder Joseph „ganz schön“ (Salz, 11). Die Probe aufs Exempel wagt er aber nicht. So bleibt die Frage, was diesen Papst in seinem ökumenischen Denken letztlich bewegt.

Das Ergebnis dieser Betrachtung ist niederschmetternd. Der gegenwärtige ökumenische Disput der katholischen mit den evangelischen und anglikanischen Kirchen zu Identitäts- und Anerkennungsfragen ist aussichtslos, zumal der Papst diese Grundsatzfragen mit eurozentrischen Positionen verkoppelt; viele Äußerungen zu Europa sowie die Regensburger Rede zeigen das deutlich. Wenig Hoffnung auf Annäherung besteht gegenüber den orthodoxen Kirchen, weil dort die Vorrangsfrage von eminenter Bedeutung ist; immerhin hat der Papst den Titel eines Patriarchen abgelegt und sich damit in bislang unbekannter Weise über Konstantinopel, Moskau und die anderen Führungsämter gestellt. Kardinal Kaspers ominöse Rede vom Vorrang einer „Osterweiterung“ nützt da wenig. Die deutschen Bischöfe sind zu schwach, um diese Barrieren zu durchbrechen. Und was bleibt den evangelischen Kirchen anderes übrig, als mit einer „Ökumene der Profile“ zu reagieren? Allerdings überlagern sich die Ökumenefragen inzwischen mit anderen innerkirchlichen Problemen. Allein schon die päpstliche Zölibats- und Frauenpolitik führt zur Selbstzerstörung des überkommenen Seelsorgesystems; aus eigenem Handeln werden die Gemeinden wohl andere Lösungen finden. Vielleicht ist dies die Ökumene, deren Verwirklichung Gott selbst vorbehalten. Sie wird in eine umfassende Ökumene von unten, in eine fundamentale Umformung christlicher Gemeinden münden.

Unter den Zwängen erstickt

Wenn Theologie und Kirche heute durchgehend auf die ökumenische Dimension verwiesen sind, dann gilt auch das Gegenteil: Die Ökumene ist kein spezialistisches Sonderprogramm, sondern lebt aus umfassenden Zusammenhängen. Sehen wir also, was die Ökumene wirklich blockiert. Vier Aspekte sind zu nennen.

Gesellschaftspolitik:
Auf alle Entscheidungen Ratzingers und Benedikts XVI. wirkt sich eine gesellschaftspolitische Komponente direkt und unmittelbar aus. Wie bekannt, fühlt sich Ratzinger zunächst im katholischen Milieu der Nachkriegsjahre aufgehoben. Deutschlands faschistisches Erbe scheint ihn nicht zu beschäftigen, ebenso wenig der Antisemitismusvorwurf gegen seinen Großonkel Georg (1844-1899). Die katholische Kirche in Zeiten des Faschismus sieht er ausschließlich als moralische Instanz und die Deutschen als ein von Hitler verführtes Volk (Rede in Auschwitz). Er hat diese Zeitzeichen nicht erkannt. Deshalb begegnet er auch der 1968er-Bewegung ohne jedes Verständnis und mit einem theologischen Kurzschlussverfahren. Es ist der marxistische Unglaube, der alle Ordnung zerstört. Deshalb führt er bis heute einen Kreuzzug gegen die Befreiungstheologie, da sie an das Kirchenregime kritische Fragen stellt. Spätestens 1970 fällt der gesellschaftspolitisch zuvor Naive (das ist kein Vorwurf; wir alle waren naiv) eine Grundentscheidung, die sich lebenslang hält. Wie wir sahen, ordnet sich Ratzinger kirchen- und gesellschaftspolitisch rechts ein. Das bedeutet eine Grundentscheidung für Ordnung und Stabilität, Tradition und Autorität, für eine Kirchenstruktur, die sich jeder Kritik verweigert. Seitdem nimmt er Begriffe wie Liberalismus, Freiheit und Befreiung, Toleranz und persönliche Entscheidung, Subjektivität und Gefühl konsequent kritisch und mit Ablehnung wahr. Zwar kann man ihm keine Gesprächsverweigerung vorwerfen, denn immer wieder setzt er sich mit diesen Begriffen diskursiv auseinander; von vielen wird er dafür bejubelt. Aber er analysiert sie nie konkret. Zunehmend setzt er sie als verselbständigte Schlagworte ein. Befreiung an sich ist gefährlich, Liberalismus an sich fördert die Anarchie, marxistische Kategorien an sich sind menschenverachtend, Protestantismus an sich lebt aus einem einseitigen Subjektivismus. So gesehen hat seine Haltung reaktionäre Züge. Dies gilt etwa für die Rede von der „Diktatur des Relativismus“ oder der Selbstzerstörung durch Homosexualität. Unter solchen Umständen müssen ökumenische Impulse ersticken.

Europakritik:
Seit der Mitte der 1980er Jahre macht der Präfekt der Glaubenskongregation diese Grundhaltung zum Werbeträger für seine Ansichten über Europa und dessen geistige Situation. Er schmiedet eine Koalition mit konservativen Kräften aus Kirche und Gesellschaft. Ratzinger hält öffentliche Vorträge in Paris, Hamburg oder Berlin. Er spricht über Sinn und Notwendigkeit der Aufklärung, einen neuen Wertekanon der europäischen Kultur, präsentiert großräumige Diagnosen und Prognosen zum gegenwärtigen Europa, wirbt für eine neue Hochschätzung von Vernunft und einer vernunftgereinigten Religion. Dass er Begriffen wie Aufklärung und Vernunft einen neuen Sinn unterschiebt, seit hier nicht näher besprochen. Seine Ausführungen bestechen, obwohl sie oft pessimistisch mit einem vermeintlichen Selbsthass des Abendlandes, mit dessen Todessehnsucht und der Forderung nach einer Neuorientierung enden. Damit schafft er für die Ökumene einen Kanon der Erwartungen, unter denen sie alle Zukunftsorientierung verliert.

„Hier gibt es einen merkwürdigen und nur als pathologisch zu bezeichnenden Selbsthass des Abendlandes, das sich zwar lobenswerterweise fremden Werten verstehend zu öffnen versucht, aber sich selbst nicht mehr mag, von seiner eigenen Geschichte nur noch das Grausame und Zerstörerische sieht, das Große und Reine aber nicht mehr wahrzunehmen vermag.“

Dieser Konsens der Konservativen übersieht, wie abstrakt, konstruiert und analytisch unhaltbar Ratzingers Visionen sind. Er stellt etwa fest: „Die missgestalteten Drillinge: Abtreibung, Euthanasie, Selbstmord sind die natürlichen Abkömmlinge dieses Grundentscheids – der Leugnung der ewigen Verantwortung und der ewigen Hoffnung.“ Man erliegt schnell Ratzingers Sprachkunst, dessen Begriffe über das Gemeinte oft hinwegtäuschen. Er sagt „Ortskirche“ und meint bischöfliche Autorität, „Aufklärung“ und meint Sokrates, „Vernunft“ und meint Jesus Christus als ewigen Logos. Er spricht von „Israel“ und lässt die Bedeutungsbreite zwischen theologischen und politischen, vergangenen und aktuellen Inhalten offen. Er spricht vom „wirklichen Jesus“ und meint den Christus späterer Jahrhunderte. Er versichert, anders als die Exegeten traue er wieder den Evangelien, legt diese aber nach späteren Maßstäben aus. Er nennt sich einen „einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn“ und denkt wie Bonaventura an den „einfachen Gläubigen“ (simplex et idiota), dem in kritischen Zeiten Philosophie und Theologie nichts mehr zu sagen haben. Gegenüber Habermas lässt er seine Sprachinhalte so offen, dass kaum jemand die Asymmetrie der beiden Gesprächspartner entdeckt, reden sie doch schlicht aneinander vorbei. Übrigens muss auffallen, dass ausgerechnet engagierte Katholiken diese Arbeit des Papstes mit Misstrauen begleiten. Unter solchen Verfremdungen verliert die ökumenische Arbeit einen jeden Anhalt. Insbesondere verschwindet die Schrift unter einem Schleier von Beliebigkeit.

Theologie in politischer Absicht:
Natürlich hat Ratzinger diese Positionen schon immer theologisch unterfüttert. Das kann ihm niemand verdenken, denn Theologinnen und Theologen haben konsistente Konzepte vorzulegen. Wie aber sehen sie aus? Die Pfeiler der Alten Kirche bilden für ihn den Ausgangspunkt. Dazu gehören ein starkes Bischofsamt, die hohe Rangordnung der Sakramente, insbesondere der Eucharistie, ferner die Kontinuität der kirchlichen Lehre, wie sie sich in den Konzilien der erstem Jahrhunderte bildete, also auch die klassische Christologie, an deren Geltung er noch heute festhält. Umso fester werden sie in den Boden gerammt, als das Gesamtgebäude (wie wir sahen) zu wanken beginnt. Ja, die Ökumene selbst wird zur Gefahr, weil sie Beben verursacht. Übrig bleibt eine Ökumene der Unbeweglichkeit. Merkwürdig ist, dass er das moderne Papstverständnis (mit Unfehlbarkeit, Rechtsprimat und einem rigorosen Zentralismus) mit einbezieht, das mit der Alten Kirche aber auch gar nichts zu tun hat. Diese Inkonsequenz zeigt zugleich die ideologische Treibkraft dieses theologischen Denkens. Es bestätigt den Wahrheits-, Ordnungs- und Vorrangsanspruch, die Benedikts real existierende katholische Kirche faktisch beherrschen. In der Tat, unter solchen Voraussetzungen kann nur noch Gott selbst Ökumene bewirken.

Die Bedürfnisse von katholischer Kirche und umfassender Christenheit werden deshalb identisch. Für Ratzinger sind alle Verfallserscheinungen im Niedergang des christlichen Glaubens begründet. Mehr noch, speziell die katholische Kirche ist der wichtigste und unverzichtbare Garant für zukunftsfähige Werte, zumindest für eine neue europäische Identität. Deshalb kann Europa nur genesen, wenn es zu den christlichen Werten in ihrer katholischen Form zurückkehrt. Diese Position führt schließlich zu einem rigiden inneren Ordnungsprinzip. Gelegentlich spricht Ratzinger von den Pathologien nicht nur der Vernunft, sondern auch der Religion. Er meint damit neben nichtchristlichen Religionen (von deren Irrtum er überzeugt ist) und nichtkatholischen Kirchen (deren Defizienz für ihn unbestreitbar sind) auch kritikwürdige Gruppierungen in der eigenen Kirche. Genannt wurden schon die Verfechter von demokratischen Modellen und der Befreiungstheologie. Der Papst denkt ferner an kontextuelle Theologien und an die Zerstörer der Liturgie. Ständig bedarf es also der inneren „Reinigung“, konkret: der konsequenten Kontrolle innerhalb der katholischen Kirche selbst. Dies ist Aufgabe des Lehramts, konkret: der Bischöfe in Einheit mit dem Papst. Damit kulminiert die aktuelle päpstliche Theologie in einem päpstlich-autoritären System, wie es dem 1. Vatikanischen Konzil schon vorschwebte und erst jetzt mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel durchgeführt werden kann. Eine demokratische oder synodale Struktur wäre für den Papst, wie wir sahen, ebenso undenkbar wie die entscheidende Mitwirkung von Laien bei der Suche nach der christlichen Wahrheit. Aus Ratzingers gesellschaftskonservativer Position folgt ein Kirchenmodell, das streng hierarchisch geordnet ist. Ökumene erfordert die Rückkehr der Andern ins Vaterhaus.

Unerträglicher Widerspruch:
Kann man einem Papst eine solche Position verbieten? Natürlich nicht, solange seine Argumentation eine allgemein akzeptable Bandbreite nicht überschreitet. Aber dies ist nicht der Fall. In Argumentation und Handeln präsentiert er uns einen offenen, geradezu unerträglichen Widerspruch. Seit den 1960er Jahren wehrt sich Ratzinger vehement dagegen, dass sachfremde Gesichtspunkte die reine Glaubenstheorie beeinflussen. Dazu zählt er Praxis und politische Erwägungen, ideologiekritische Methoden und den Blick auf Kontexte (seien sie kulturell, sozial oder von sexueller Art), den Blick auf Notsituationen oder die Wirkung eines Handelns. Über dreißig Jahre lang ist ihm der Antisemitismus der Piusbrüder entgangen, weil er ausschließlich auf deren innerkirchlich konservative Forderungen fixiert ist. Er fordert eine nichtpolitische Theologie, die eine rein überzeitliche Wahrheit im Visier hat. Doch den Beweis für diese Verbote hat er nie erbracht. Zugleich springt die starke gesellschaftspolitische Motivation ausgerechnet seines Denkens in die Augen. Nicht der Blick auf Jesus von Nazaret, sondern auf ein hellenistisches Denken, nicht die Sorge um ein biblisches Gottesbild, sondern um geschichtlich gewordene Menschenbilder, nicht die Angst vor dem Gottesverlust, sondern vor zuviel Freiheit treiben ihn an. An Ratzingers Denken lässt sich der hochpolitische Charakter einer Kirchenleitung studieren, die vorgibt, sich von Politik nicht verderben zu lassen. Im Namen christlicher Freiheit wird die innerkirchliche Freiheit der Rede und des Handelns unterbunden.

Auswege von unten

Der gravierendste Gesichtspunkt aber ist noch nicht genannt. Zwar behauptet der Papst, sich auf die Schriften des Tenach und des Neuen Testaments zu beziehen. Aber Norm ihrer Auslegung sind für ihn Theologie und Gestalt der Alten Kirche, die Konzilien und der antike Anspruch auf bischöfliche Leitungsgewalt. Ich weiß es: diese Behauptung ist schwerwiegend und erfordert eine komplexe Erläuterung, denn die Textauslegung vollzieht sich immer in einem komplizierten Geflecht. Dazu gehören die ursprüngliche Bedeutung, die spätere Auslegung und aktuellen Erwartungen. Aber bis in die jüngste Gegenwart hinein hat Ratzinger/Benedikt XVI. so viele Verdikte gegen sorgfältigste Schriftauslegung ausgesprochen, dass sein eigener Anspruch nicht mehr glaubwürdig ist.

Angesichts dieser massiven Klammern mit ihrem Totalitätsanspruch konnte beim Glaubenspräfekten und späteren Papst ökumenisches Denken nie seine eigenen Regeln entfalten. Für Selbstkritik und Selbstkorrektur ist kein Platz. Wie soll ein Dialog zustande kommen, wenn die eigene Wahrheit schon in solch krisenhafter Verkrampfung festgelegt ist? Wie sollen zwei Kirchen miteinander auf gleicher Augenhöhe sprechen können, wenn der einen schon a priori ihre kirchliche Würde abgesprochen wird? Wie sollen die Kirchen der Reformation ihr Grundanliegen zur Sprache bringen können, wenn die katholische Kirche ihr Wesen geradezu kämpferisch auf die Frage bischöflich vermittelter Sakramente reduziert? Wie will man die Idee des Petrusdienstes fruchtbar besprechen, wenn der Inhaber dieses Dienstes das Versagen seiner Vorgänger in Sachen Einheit auch nicht im mindesten einsieht?

Ich ziehe mich hier nicht, auf Fragen der Rechthaberei und Unbelehrbarkeit zurück. Ich wollte vielmehr zeigen, wie massiv die beschriebene Dynamik von Ratzingers Theologie auf verschiedensten Ebenen alle ökumenischen Versuche in die Zange und ihnen alle Luft zum Atmen nimmt. Die Ökumene kann nur wieder vorankommen, wenn wir uns zuvor von streng konservativen und autoritären Gesellschaftsmodellen lösen, sie als theologische Unterfütterung von den Zielvorstellungen unseres gemeinsamen Glaubens abstreifen, die Egozentrik der katholischen Kirche aufgeben, so als hätte sie ihren Anspruch auf ökumenische Führerschaft nicht schon längst verspielt. Wenn wir das von Rom erzwungene autoritäre Kirchenmodell nicht aufgeben und nicht endlich die Schrift wieder zum entscheidenden Maßstab unserer Glaubensfragen (auch zum Maßstab konziliarer Texte) machen, kommen wir keinen Schritt voran. Auch ein Papst muss mit der Möglichkeit rechnen, dass er die wahre Ökumene blockiert, statt sie zu befördern. In diesem Fall wäre er für die Gesamtkirche untragbar.

23.02. 2009
(veröffentlicht in: N. Sommer und Th. Seiterich (Hg.), Rolle rückwärts mit Benedikt. Wie ein Papst die Zukunft der Kirche verbaut, Publik-Forum 2009, 126-142)