„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ (Ps 127,2) – Religionen und Sexualität, ein brisantes Verhältnis

Alle Weltreligionen haben zur Sexualität ein prekäres Verhältnis. Einerseits wird sie in höchsten Tönen gepriesen, andererseits eifersüchtig kontrolliert, bisweilen sogar verteufelt. Es ist höchste Zeit, den Gründen dieses ambivalenten Verhaltens auf die Spur zu kommen. Einige Thesen sollen dafür eine erste Richtung weisen.

These 1:
Alle Weltreligionen haben zur menschlichen Sexualität ein ambivalentes Verhältnis. Sie schwanken zwischen begeisterter Bejahung und ängstlicher Kontrolle.

These 2:
Die Weltreligionen spielen bei der kontinuierlichen Zuteilung von Geschlechtsrollen eine dominierende Rolle. Einerseits übernehmen und verstärken sie kulturelle Zuschreibungen, andererseits schreiben sie diesen Zuschreibungen eine unveränderliche, göttlich bedrüngete Bedeutung zu. Das ist paradox.

These 3:
Die Weltreligionen verknüpfen die verschiedenen Wirklichkeitsebenen der Sexualität in unterschiedlicher Weise. Meistens bildet die Familie den organisierenden Mittelpunkt.

These 4:
Für die Sexualität entwickeln Weltreligionen profilierte ethische Regeln und übernehmen für deren Befolgung wirksame Verantwortung. Darin liegen ihre Stärke und ihr Problem.

These 5:
Weltreligionen gingen und gehen mit ihrer gesellschaftlichen Umgebung Allianzen ein. Diese verdunkeln auch in Fragen der Sexualität ihre ursprünglichen Impulse.

These 6:
Alle Weltreligionen sind männerzentriert, dies mit dramatischen Auswirkungen für Sexualität, Ehe und Familie. Nur die Religionsanhänger selbst können für eine innere Heilung sorgen.

These 7:
Vor allem die monotheistischen Religionen pflegen zur Homosexualität ein unerlöstes Verhältnis.

These 8:
Die
Weltreligionen sollten Sexualität, Ehe und Familie von ihrem weltreligiösen Kernethos her beurteilen. Schlüsselworte allen sexuellen Handelns lauten: Respekt und Selbstrespekt, Treue und Verlässlichkeit, Verantwortung und Liebe.

These 9:
Die autoritäre Gesamtstruktur der römisch-katholischen Kirche macht die genannten Problem besonders greifbar
. Dieser ungute Zustand und konfliktreiche Zustand gibt uns zugleich die Chance, Missstände klar zu benennen, kontrovers besprechen und Korrekturen herbeizuführen.

These 10 (am 01.06.2017 hinzugefügt):
Veränderte kulturelle Zuschreibungen (vgl. These 2) haben immer wieder zur Änderung öffentlich rechtlicher Regelungen geführt. Dann ist es die Pflicht der Religionen, nach Maßgabe humaner Prinzipien auf solche Änderungen konstruktiv und kreativ zu reagieren. Ein eklatantes und aktuelles Beispiel ist die Neubewertung der Homosexualität.

(vorgetragen am 06.06.2015)