„Im Totalitarismus das Leben meistern“
These 1: Erste Reformimpulse
Das 2. Vatikanische Konzil bedeutete für beide Kirchen einen epochalen Durchbruch.
– Die niederländische Kirche entwickelte nach innen eine explosive Kreativität, nach außen ein starkes ökumenisches und gesellschaftliches Selbstbewusstsein.
– Die tschechoslowakische Kirche blieb staatspolitisch in einer prekären Situation. Nach innen mussten die Reihen möglichst geschlossen bleiben, die Kommunikation mit Rom und der theologische Austausch mit dem Westen konnten nie unkontrolliert vor sich gehen. Deshalb konnten sich neue Reformimpulse nie frei entfalten.
These 2: Wachsende Krisen
Die wachsende römische Repression führt beide Kirchen in eine schwierige Krise.
– In den Niederlanden führen massive römische Fehlentscheidungen und Eingriffe zur Entfremdung von Rom, zum wachsenden Widerstand, 1979 zum Ende des „niederländischen Experiments“. Viele Gemeinden und Gruppen brechen ihre Kontakte mit den Bischöfen ab.
– In der Tschechoslowakei führt Humanae Vitae (1968) zu einem Schock. Enttäuschung und Resignation machen sich breit. Das Gefühl der Isolierung ist enorm, weil die Reformbewegungen von Hierarchie und Staat unter gewaltigem Druck stehen.
These 3: Verborgene Kirche
In Absprache mit der Hierarchie wird eine eigene Seelsorgestruktur errichtet: die Verborgene Kirche. Mit der geheimen Ordination von z.T. verheirateten Männern zu Bischöfen und Priestern, sowie von Frauen zu Priesterinnen wird eine bislang sensible Grenze überschritten. Die Betroffenen arbeiten unter höchstem Risiko für Freiheit und Leben. Ihre Situation hat sich im Sommer 1968 massiv verstärkt.
These 4: Ende der Verborgenen Kirche
Nach 1989 Kirche die Verborgene Kirche wird als massive Bedrohung der kirchlichen Einheit erfahren und unter demütigenden Umständen beendet. Die geheim ordinierten Bischöfe müssen auf ihr Amt verzichten, verheiratete Priester werden gegebenenfalls zu Diakonen degradiert, die Existenz von Priesterinnen wird schlicht ignoriert.
These 5: Prophetisches Handeln
Christliche Prophetie ist gekennzeichnet durch einen empfindlichen Bruch, solidarisch motivierten Bruch vorgegebener Strukturen in einer bedrängenden Situation. Wer ihn leugnet oder ins Unrecht setzt, stellt den Sinn christlicher Prophetie in Frage. Existenz und Handeln der Verborgenen Kirche sind ein hervorragendes Beispiel für die kirchlich prekäre Existenz aller Prophetie, zumal in der römisch-katholischen Kirche.
These 6: Gründe der Missachtung von Prophetie
Für die Verachtung der Prophetie in der römisch-katholischen Kirche gibt es drei zentrale Gründe:
– eine massive Juridisierung kirchlicher Handlungen und Strukturen, Leitungs- und Lehransprüche,
– ein massiver Sakramentalismus, der die gesamte Kirche einschließlich ihrer Leitungsämter einseitig als Sakrament und von den Sakramenten her begreift,
– eine autoritär monokratische Leitungskultur, die sich aus der Kombination von Juridismus und Sakramentalismus ergibt.
Deshalb muss kirchliches Reformhandeln mit dem Kampf gegen diese Fehlentwicklungen beginnen.
These 7: Basisziele kirchlicher Reformarbeit
Eine konsequent prophetische Führungs- und Handlungsstruktur setzt voraus:
– die konsequente Funktionalisierung und Entsakralisierung kirchlicher Ämter,
– die menschenrechtliche Begleitung und Absicherung angezielter Reformen,
– die Rücksicht auf unterschiedliche kulturelle und andere kontextuelle Bedingungen,
– einen flexiblen und ausgleichenden Umgang mit mehrspurigen Argumentationen, der zugleich religiöse und säkulare Diskurse, Lebens- und Denkhorizonte erreicht.
These 8: Offene Konfrontation und klare Argumentation
Jeder Verrat an Prophetie ist in offener Konfrontation zu entlarven, Betroffene sind konsequent zu begleiten. Dazu ist es hilfreich, einen Katalog von klassischen Verratsfällen zu entwickeln. Biblisch orientierte Argumente verdienen den Vorzug, zumal das 2. Vaticanum als Argumentationshilfe verblasst und Traditionsargumente ambivalent sind.
These 9: Kirchen mit einer gemeinsamen Vision
Schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit ist bei der Reformarbeit eine west-mitteleuropäische Kooperation unverzichtbar. Dabei erhält die Qualität der Prophetie eine weitere Bedeutung, da den Kirchen Europas eine gemeinsame, christlich inspirierte Zukunftsvision fehlt. Sie ist für die Vitalität der Kirchen Europas und die Reformarbeit in ihnen unverzichtbar.
Ein gemeinsames Projekt könnte lauten:
Ein solidarisches, vom Geist der Versöhnung getragenes Europa.
30.04. 2018