Offener Brief an Hervé Legrand

Im September 2007 erschien in den Niederlanden das aufsehenerregende Papier Kerk en ambt (Kirche und Amt). Der Dominikanertheologe Hervé Legrand aus Paris verurteilte das Papier in einem offiziösen Gutachten. Auf Bitten niederländischer Kollegen nimm Häring in einem offenen Brief dazu Stellung.

„Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
P. Watzlawik

Verehrter Pater Legrand,
Über die Website von Le Monde fand ich Ihren Artikel zu dem aufsehenerregenden Dokument, das niederländische Dominikaner zur Situation der niederländischen Kirche veröffentlicht haben. Doch genauer besehen entpuppte es sich nicht als ein Bericht zur besseren Orientierung, sondern als ein internes Gutachten, das gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Andererseits kann ich mir nicht denken, dass es ohne Ihren Willen an die Öffentlichkeit gelangte. Es ist zwar nicht freundlich, doch unter Brüdern – auch Sie sind ja Dominikaner – muss ein offenes Wort möglich sein, wenn es der Klärung und gegenseitigen Verständnis dient. Jetzt aber ist dieses Gutachten öffentlich und wird damit zum Schwert, das alle Gespräche zunichte macht. Welches Spiel wird da eigentlich gespielt? Ich weiß es nicht. Aber ich begann, Ihr sehr kritisches Papier kritisch zu lesen. Und siehe da, genau besehen entdeckte ich in Ihrem Text alle Schwächen und Widersprüche, die Sie mit massiven Worten dem Dokument vorwerfen, und das ist nicht wenig. Haben Sie Ihre eigenen Schwächen nur auf andere projiziert? Lassen Sie mich einige Punkte nennen.

Projektionen und Paradoxien

Indirekt unterstellen Sie dem Dokument Heuchelei als mögliches Motiv („Wenn diese Demarche keine Heuchelei … sein soll“), derselbe Gedanke kommt mir bei Ihrer Antwort. Wollen Sie wirklich aufklären und helfen, oder liefern Sie den Autoritäten nur die erwartete Munition?

Sie behaupten, das Dokument der Dominikaner sei von Vorurteilen geleitet, aber schon Ihr erster Satz rückt das Anliegen des Dokuments in ein falsches Licht und am Ende verurteilen Sie scharf, was niemand behauptet oder verlangt hat. Da Sie die niederländische Situation nicht kennen, entdecken Sie in dem Dokument eine paradox widersprüchliche Kommunikation. Aber wie ich zeigen kann, steckt Ihr Papier voller gravierender Widersprüche. Sie präsentieren sich als Experte der Kommunikationswissenschaft, verletzen aber deren Grundregel: nicht einmal von ferne kümmern Sie sich um den Kontext des Textes. Ironisch unterstellen Sie Ihren niederländischen Mitbrüdern, sie hätten sich wohl aus Zerstreutheit wiederholt; dabei erliegen Sie selbst solcher Zerstreutheit und zitieren einen Satz direkt und indirekt gleich mehrmals, berauschen sich geradezu an seiner vermeintlichen Häresie. Dem Dokument werfen Sie eine Vermischung von Analyse und normativen Aussagen vor, beziehen selbst aber von der ersten Zeile an eindeutig Position, um Ihre vermeintlich wissenschaftliche Argumentation darauf auszurichten.

Sie greifen P. Watzlawkis unterhaltsame Popularthesen aus den sechziger Jahren auf und hoffen, damit Eindruck zu machen (keine Angst, auch Niederländer kennen dieses unterhaltsame Büchlein). Leider übersehen Sie, wie gut sich dessen Analysen auf Ihr Verhalten anwenden lässt. Vermutlich denken auch Sie an jene Geschichte, in der ein Mann seinen Nachbarn um einen Hammer bitten will, sich auf dem Weg zu ihm aber mit Aggressionen gegen ihn auflädt. Er läutet an der Tür und schreit, „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“ Genau diese Emotionen entwickelt Ihr Papier. Zu Beginn sprechen Sie noch empathisch vom Alarmruf des Dokuments, um am Ende zu rufen: „Behalten Sie Ihr Problem, Sie unkirchliche Schismatiker!“ So raten Sie zum Gespräch zwischen Provinz und römischer Ordensleitung, sorgen aber nach Kräften dafür, dass dieses Gespräch aussichtslos wird. Sie bestehen auf der wahren kirchlichen Lehre und wagen doch die Behauptung, bei solchen Leuten habe das Gespräch ja doch keinen Sinn. Ihr Gutachten endet mit dem Bild von Brüdern, die einander helfen, vergessen aber, dass Sie genau das hätten tun müssen. Oder gehen Sie Ihre Mitbrüder nichts an? Fühlen Sie sich als der Superbruder, der über den Parteien stehen will?

Paradoxien auch im Detail: Mit der Behauptung, jetzt verzögere sich die Möglichkeit, verheiratete Männer zu ordinieren, liefern Sie den Zauderern Argumente, aber eine „self-fulfilling prophecy“ werfen Sie den anderen vor. Bei der Frage homosexueller Gemeindeleiterinnen oder Gemeindeleiter zeigt Ihre inkonsistente und willkürliche Argumentation absurde Blüten: Sie erinnern an jenen als homosexuell bekannten Anglikanischen Bischof, dessen Weihe zu Problemen in der anglikanischen Weltgemeinschaft führte. Was hat dieses Szenario des Schreckens mit Gemeindeleitern in den Niederlanden zu tun, die zufällig homosexuell sind? Glauben Sie, eine lesbische Gemeindeleiterin in den Niederlanden würde (wie Sie behaupten) das Verhältnis zwischen Muslimen und Anglikanern in Nigeria berühren? Ich bitte Sie! Hätten Sie wenigsten ehrlicher argumentiert und mit theologischen Gründen zu erklärt versucht, was Sie gegen Schwule und Lesben haben.

Spiegelungen Ihrer eigenen Situation ohne Ende, verehrter Pater Legrand! Mit feierlichen Worten präsentieren Sie sich als der große Experte für kirchliche Theorie und Praxis und mit Verachtung versuchen Sie, die Autoren des Dokuments als Ignoranten vorzuführen. Wie brüderlich schon die Strategie dieser Argumentation: Autoren unglaubwürdig machen, um sich mit deren Text nicht mehr auseinandersetzen zu müssen? Sie wissen natürlich alles, spielen sich – bisweilen zu Unrecht, wie wir sehen werden – als der eigentliche Spezialist für Detailfragen auf. Worte wie „Schisma“ und „Sekte“ fließen ganz nebenbei aus Ihrem PC. Hingegen scheinen Sie sich Ihrer inhaltlichen Argumentation nicht so sicher zu sein. Wie anders würden Sie Ihre Mitbrüder zuvor als Rechthaber diskriminieren, die das Evangelium für sich allein beanspruchen? „Wenn man zu einer wirklichen Debatte über die Lehre kommen will, muss man zuerst begreifen, wie sich die Interessierten in einem solchen Geist etablieren konnten.“ Dieser Satz allein schon genügt, um Sie als ernsten Gesprächspartner abzulehnen. Er atmet den Geist der Inquisition schlimmster Sorte. Ist diese wirklich noch nicht überwunden oder erhebt sie in Rom erneut ihr Haupt?

In diesem Ihrem Geist wird Ihr Gutachten von Abschnitt zu Abschnitt emotionaler und wachsende Panik durchzieht die Zeilen. Sollten Ihnen vor lauter Angst vielleicht die Argumente ausgegangen sein? Auf den Geist des Dokuments und auf die niederländische Situation gehen Sie ohnehin nicht ein, wie ich noch zeigen werde. Zum Schuss bleibt Ihnen nur noch die Wiederholung von uralten Sätzen aus dem 2., 5. und 6. Jh., als ob niederländische Theologen diese Sätze nicht auch gelernt hätten; man hat sie ihnen schon oft genug entgegengehalten. Aber Sie scheinen nicht einmal zu bemerken, dass diese ehrenwerten Worte eines Ignatius, Cyprian, Augustinus oder Pelagian mit dem zu debattierenden Problem nun wirklich nichts zu tun haben. Für mich ist es das Beispiel – ein „exemplarisches Beispiel“ würden Sie es nennen – für den gravierendsten Mangel Ihres Dokuments, der es für die niederländische Situation wirkungslos macht.

Realitätsverlust

Dieses Dokument wirkungslos? Ich weiß, da sind Sie ganz anderer Meinung, denn Sie halten einen ganz anderen Kontext für wichtig. Für Sie gilt die Wirklichkeit unserer hierarchischen Welt und ihrer Regeln. Leider hat diese Hierarchie – zusammen mit Ihnen – den Blick für das verloren, was sich in unseren Gemeinden – jawohl, an der „Basis“ – abspielt.

Ungewollt dokumentieren Sie diese Unkenntnis an vielen Stellen Ihres Papiers. Bei einer ersten, sogenannt soziologischen Lektüre listen Sie die vielen Gegensätze auf, die das Dokument zwischen „oben“ und „unten“ konstruiere und sehen darin ideologische Vorurteile. Leider unterscheiden Sie, wie ich zeigen werde, die drei folgenden Textschichten nicht: (1) Wie oft geben diese (und die anderen von Ihnen diskriminierten) Worte die Meinung Dritter und damit die faktische Stimmung in den Gemeinden wieder? (2) Wie oft werden sie von den Autoren aufgegriffen und analysiert? (3) Was schlagen die Autoren vor, um diese Polarisierung zu überwinden? Vielleicht hätten Sie nicht bei Watzlawik stehen bleiben dürfen oder ihn selbstkritischer lesen müssen. Vor kurzem entdeckte ich in einem neueren Artikel von Ihnen (2006) eine Probe Ihrer statistischen Künste. Dort attestieren Sie der gegenwärtigen Theologie einen „Gynozentrismus“ mit dem Argument, in neueren Lexika seien Artikel über die Frau entschieden länger als Artikel über den Mann. Die Zählkünste Ihres Papiers haben m.E. nicht mehr Beweiskraft.

Mit Erstaunen liest man auch, was Sie von diesem Volk da „unten“ halten; anspruchsvoll sprechen Sie von Wissenssoziologie. Nach Ihnen war das Volk da unten schon immer gegen Wissenschaft und Industrialisierung, gegen Liberalität und natürlich gegen die Fremden. Ja, in Deutschland soll es das evangelische Volk da unten gewesen sein, das Hitler zu seinem Sieg verholfen hat. Über die Herren Theologen, die Intellektuellen an den Universitäten, über die Mehrheit der evangelischen Bischöfe und deren katholische Kollegen verlieren Sie kein Wort. Die vielen, die ganz unten den Widerstand versuchten, den Märtyrertod starben und von ihren Bischöfen desavouiert wurden, ebenso wenig. Kurz, dieses Argument, verehrter Pater Legrand, ist wirklich eine Fehlleistung. Überhaupt haben Sie übersehen, dass die Nennung einer ungebildeten Unterschicht vergangener Jahrhunderte die Situation verkennt. Was sich in den niederländischen Gemeinden an den „grassroots“ zu Worte meldet, das ist kein (in Ihrer Sicht) ungebildeter Bodensatz des 19. Jahrhunderts. Das sind Menschen mit hoher Schulbildung, oft Intellektuelle im ausdrücklichen Sinn, wenn nicht gar Mitchristinnen und Mitchristen mit einem theologischen Studium; das sind Kennerinnen und Kenner der Schrift, das sind oft Gläubige von hoher Spiritualität und Menschen, die über Jahrzehnte hin und unter widrigsten Umständen ihre Treue zur Kirche bewahrt haben. Wegen seines verachtenden Untertones kehrt sich dieses Argument gegen Sie selbst.

Realitätsverlust zum Zweiten:
Sie werfen dem Dokument vor, es anonymisiere die Bischöfe. Sie haben vergessen, wie kontinuierlich und konsequent sich die Bischöfe selbst anonymisieren und ihre persönliche Meinung gerne hinter der kirchlichen Lehre verstecken. Wir haben nicht vergessen, dass man auf dem 2. Vaticanum der Kirchenkonstitution jene berühmte „Vorbemerkung“ (nota praevia) aufgezwungen hat, der die Konzilsmehrheit nie und nimmer zugestimmt hätte: „von höherer Autorität“ sei sie gekommen, wurde offiziell verkündet. Warum nannten die Herren hinter den Kulissen keine Namen? Wir erinnern uns, dass Kardinal Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, die Ordination von Frauen unter das Verdikt der unfehlbaren Lehre stellte; mit welchem Recht dieses Versteck für seine persönliche, in nichts belegbare Meinung? Wir erinnern uns auch, dass diese Glaubenskongregation den evangelischen Kirchen gleich zweimal ihre Kirchlichkeit absprach und zu Unrecht behauptete, das sei die richtige Auslegung der vatikanischen Konstitution. Nein, diese vornehm zurückhaltende Rede haben wir von der Hierarchie gelernt und alle Katholikinnen und Katholiken der Niederlande wissen ohne alle Emotionen, wer damit gemeint ist. Zudem ist es oft höflicher, keine Namen zu nennen, weil man niemanden dem öffentlichen Ärger preisgeben will. Zudem sind in diesem kleinen Land die Namen der Bischöfe hinreichend bekannt, ebenso die Art, wie sie ihre Diözesen regieren.

Realitätsverlust zum Letzten:
Im Dokument kann nur eine Gesprächsverweigerung erkennen, wer die niederländische Situation und ihre Art der Kommunikation nicht kennt. Vergessen Sie bitte nicht: Sie heben es mit einem durch und durch demokratischen Volk zu tun. Wo auch immer pflegen Niederländer eine Kultur des offenen und unverstellten Gesprächs; Opportunismus ist ihnen ein Gräuel, auch in der katholischen Kirche. Genau das macht den Römern ja solche Schwierigkeiten. Bevor Sie, der Sie selbst so unkritisch urteilen, die Autoren dazu aufrufen, kritischer zu sein, hätten Sie um Aufklärung bitten müssen: über die zahllosen Vereinigungen, Zusammenkünfte und Gesprächsversuche, die seit dreißig Jahren Polarisierungen überwinden wollten, aber immer schwieriger wurden. Wissen Sie etwas von den ungezählten Initiativen vieler Gemeinden, von Priestern und Mitarbeitern in der Seelsorge? Kennen Sie auch nur einen Teil der Enttäuschungen, die gesprächsbereite Menschen aus dem sozialen Sektor erfuhren, wissen Sie etwas von der unmenschlichen Art, in der man mit Theologinnen und Theologen bis in die Gegenwart hinein umgeht? Wissen Sie um die Besorgtheit und Sorgfalt, mit der die Angehörigen von Orden und Kongregationen (Frauen wie Männer) immer wieder Brücken bauten, bis sie wieder zerschlagen wurden? Auf welches Gespräch hoffen Sie noch in einem Land, in dem man mit einem Federstrich gleich drei theologische Fakultäten auflösen will, mit unrichtigen und widerlegbaren Argumenten und ohne jeden Versuch einer theologischen Legitimation? Warum nehmen der Metropolit einer Kirchenprovinz und seine Bischöfe nicht das Gespräch mit den Autoren dieses Dokuments auf, nachdem sie es persönlich erhalten hatten? Die Bischöfe können doch nicht beleidigt sein, weil man auch den Gemeinden mitteilt, was man zugleich ihnen sagt, wenn getaufte Christinnen und Christen ebenso wie die Bischöfe informiert werden? Zeugt es nicht von Schwäche und von Angst, wenn man dieses Dokument sofort an höhere Instanzen sendet und selbst damit nicht umzugehen weiß?

Wahrscheinlich wissen Sie es und wir können es uns ausmalen, mit welcher Panik in den vergangenen Wochen hinter verschlossenen Türen verhandelt, gesprochen, die formale Situation eingeschätzt und über die beste Strategie beraten wurde. Dabei wären Gespräche so einfach. Hätten Sie von dieser Geschichte des Elends, von der ich sprach, auch nur eine geringe Ahnung, dann hätten Sie auch erkannt, dass hier eine Gruppe verantwortlicher Menschen, denn Ihre Mitbrüder versuchen, einen letzten Strohhalm zum Gespräch zu ergreifen. Was Sie als versperrende und ausschließende Sprache deuten, ist in Wirklichkeit der Versuch, das Gespräch wieder aufzunehmen. Sie brauchen die niederländischen Katholiken nun wirklich nicht darüber aufzuklären, dass auch die Bischöfe zum Volk Gottes gehören. Dazu brauchen Sie Ihnen auch keine Konzilsworte vorzuhalten. Nach diesem Prinzip haben niederländische Katholikinnen und Katholiken in einem Höchstmaß an kirchlicher Loyalität über Jahrzehnte und konsequent gehandelt, wie sich an vielen Beispielen zeigen ließe. Leider haben die Bischöfe solchen Einladungen nur selten Folge geleistet, und die gesprächswilligen Bischöfe waren bei den anderen schnell isoliert. Es sind die Bischöfe, die ihre Mitgläubigen immer weniger am Geschehen dessen teilnehmen ließen, was wir aus guten biblischen Gründen „Kirche“, „Communio“ oder Gemeinschaft nennen. Es wäre also besser gewesen, eine verantwortliche und selbständig denkende Person, die die Niederlande wirklich kennt, wäre Ihnen bei Ihrer Arbeit zur Seite gestanden.

Aus diesen Gründen betrachte ich den zweiten Teil Ihres Papiers mit seinen formalistischen Argumenten zu Gesprächsstrategie und Selbstkritik als misslungen. Für alle Kennerinnen und Kenner der Situation schließt das Dokument Ihrer Mitbrüder niemanden aus, vielmehr versucht es, wieder alle zusammenzubringen. Es wurde an die Gemeinden und an die Bischöfe gesandt. In zurückhaltendem Ton wird die Stimmung vieler Gemeinden wiedergegeben und Schärfen werden sorgfältig vermieden, damit die Bischöfe darauf eingehen können. Im neuen Modell zur Ordination ist das Gespräch zwischen Bischof und Gemeinden ein unverzichtbares Element. Wie können Sie da von Ausschluss, Selbstisolierung und von Sekte reden? Doch darüber in den folgenden Punkten.

Falsche Angriffe

Nur wenig überzeugen auch Ihre inhaltlichen Argumente und ich frage mich, was diese Ihre tiefgehenden Missverständnisse verursacht. Leider geht auch hier die Methode der Diskreditierung den Argumenten voraus. Haben Sie das wirklich nötig?

Doch auch hier der Reihe nach:
Sie greifen einige Sätze zur historischen Entwicklung des Kirchenbildes heraus und präsentieren es als Beispiel dafür, wie unseriös die Autoren argumentieren. Diese Strategie ist durchsichtig: Nicht eigentlich die genannten Autoren, sondern das ganze Niveau niederländischer Theologie soll an den Pranger gestellt werden (auf den Stand Ihrer eigenen exegetischen Argumentation komme ich später zurück). Das Dokument verweist kurz auf die Ausbildung eines pyramidalen Kirchenmodells. Unsinn, antworten Sie, das seien Kategorien von Pseudo-Dionysius, und in den liturgischen Texten des Westens sei sein Einfluss nicht zu spüren; erst in der École française des 19. Jh.s werde er wirksam. Entschuldigung, was Sie so eindrucksvoll widerlegen, hat niemand behauptet. Das Dokument nennt weder Dionysius noch liturgische Texte, aber jedes theologische Handbuch kann Sie über Entstehung und Wirkung, Begriff und Sache der „Hierarchie“ informieren, womit das ursprünglich antik militärische System von Befehl und Gehorsam spiritualisiert und auf die kirchliche Struktur übertragen, der Stand der Priester und Bischöfe über den Rest des Gottesvolkes hinausgehoben wurde, weil in ihm das Licht der himmlischen Hierarchien widerstrahlt. Darüber hören wir von Ihnen nichts und der von Ihnen so nachdrücklich zitierte Text eines gewissen Guerric d’Igny tut nun wirklich nichts zur Sache; wer hat gegen ihn etwas eingewendet? In der Tat, an der Lichtmetaphorik lag es den Theologen nur indirekt, wohl aber an der Kunst, die eigene Leitungsmacht direkt von Gott herzuleiten. Warum haben Sie sich dazu nicht geäußert?

Gleiches gilt für den nächsten Punkt einer für Sie missglückten, in Wirklichkeit bei Ihnen missglückenden Argumentation. Durch die Priesterweihe, so das Dokument in Ihrer Interpretation, werde der Priester in seinem Wesen verändert. Zur Widerlegung dieser vermeintlichen These fahren Sie schweres historisches Geschütz auf. Mit welchem Recht? Vier, zugegeben, komplizierte Aussagen seien hier kurz genannt: (1) Auch Sie können nicht leugnen, dass noch das 2. Vaticanum zwischen „allgemeinem“ und „besonderem“ Priestertum einen wesentlichen[!], nicht nur graduellen Unterschied statuieren; am Begriff des Wesentlichen können Sie Ihre Kritik also nicht fixieren; offiziell gibt es zwischen Priestern und Laien einen Unterschied, der „wesentlich“ zu nennen ist. Haben Sie einen besseren Vorschlag? (2) Fest steht ferner, dass die Tradition von einem „Merkmal“ oder „Prägemal“ spricht, das der Seele „eingeprägt“ wird und über den Tod hinaus bleibt. Diese Aussage bewegte sich immer schon in ontologischen Kategorien und das Lehramt hat dies bis heute nicht korrigiert. Sie können Ihren evangelischen Kollegen also nicht dafür böse sein, dass sie dies betonen. Vielleicht denken niederländische Katholiken an diesem Punkt selbstkritischer und genauer als die aktuelle katholische Apologetik. (3) Wenn nun das Konzil von Trient diese ontologische Bestimmung nicht näher zu präzisieren wusste und am Unterschied dennoch festhielt, dann hat das damalige Konzil und nicht die gegenwärtige Auslegung ein Problem. Dies dem jetzigen Dokument vorzuwerfen, macht keinen Sinn. (4) Wieder widerlegen Sie etwas mit Verve, was von niemandem behauptet wurde, denn das Dokument lehnt sich an die Rede vom wesentlichen Unterschied nur an. Es kennt aber das Problem und spricht deshalb vorsichtig von „einer Art[!] von Wesensverwandlung“ (sie zitieren verkürzend und deshalb falsch). Übrigens haben die Autoren dabei nicht vergessen, was Sie jetzt verdrängen: Gut katholisch handelt der Priester „in der Person Christi“. Seine Funktion lässt sich also nicht, wie Sie hier suggerieren, von der Person ablösen. Wenn ein Katholik in anderem Zusammenhang behaupten würde, dieses Amt hätte nur mit der Funktion und nichts mit der Person zu tun, würden Sie wahrscheinlich sehr heftig reagieren. Sie aber äußern sich mal wieder herablassend über das theologische „Popularniveau mancher niederländerischer Katholiken“ und vergiften damit die Atmosphäre, denn – noch einmal – vermutlich sind sie theologisch gebildeter als Ihnen im gegenwärtigen Konflikt lieb ist. Aber wir kennen das Klischee: schon am Vorabend des 2. Vaticanum sprachen die Römer in Sachen E. Schillebeeckx und K. Rahner von den „nordischen Nebeln“.

Angesichts der wenigen widerlegbaren Einwände, die Sie vorbringen sowie angesichts der zahllosen Einzelaussagen des Dokuments, zu denen Sie sich nicht äußern, könnten sich die Autoren des Dokuments also nur freuen und wenn die Zeit reichte, könnten wir jetzt mit einer langen Aufzählung der positiven Aussagen des Dokuments beginnen, die Sie zu akzeptieren scheinen. Wir könnten die Problematik des Zölibats und die Ausführungen zum Volk Gottes nennen oder die schönen Abschnitte zur Eucharistie, zur Einbeziehung wirklich aller (auch der Bischöfe) in das Volk Gottes sowie die Differenzierungen über die Stellung des Amtes in und über der Gemeinde nennen. Für diese indirekte Bestätigung ist Ihnen eigentlich zu danken – ja, wenn da nicht die Schlussthese wäre, deren Widerlegung Sie mit Ihrer Kritik bislang nur vorbereiten. Bevor ich zu diesem zentralen Diskussionspunkt vorstoße, ist jedoch eine Klarstellung notwendig.

Das entscheidende Argument

Die Autoren des Dokuments schreiben: „Mit Nachdruck plädieren wir dafür, dass unsere kirchlichen Gemeinden, vor allem die Pfarreien, in der heutigen vom Mangel an zölibatären Priestern gezeichneten Notsituation in kreativer Weise ihre theologisch verantwortete Freiheit ergreifen und erlangen, indem sie aus ihrer Mitte ihre eigenen Gemeindeleiter/innen bzw. ein Team von Gemeindeleiter/innen wählen.“ Das Dokument plädiert also dafür, dass die Gemeinden nach sorgfältiger Überlegung und auf Grund von ausgewogenen Kriterien Personen auswählen und benennen, die sie für die Leitung von Eucharistiefeiern für geeignet halten. Gegen die dort genannten Kriterien und gegen diesen Auswahlprozess bringen Sie keine Einwände ein. Damit stimmen Sie dem eigentlichen Ziel des Dokuments zu. Es will ja eine Debatte genau über diesen Weg anstoßen. Konsequenterweise müssen Sie dann auch der Erwartung zustimmen, dass die Diözesanbischöfe „in gutem Einvernehmen diese Wahl durch ihre Handauflegung bestätigen“. Die Autoren setzen also ausdrücklich auf ein Einvernehmen mit den Bischöfen und erwarten, dass die Benennung von Kandidaten jeweils interne Gespräche in Gang bringt. Daraus folgt, was nicht eigens gesagt werden musste: Bei Problemfällen ist gemeinsam abzuwägen, bis ein wirkliches Einverständnis erzielt wird. Wie anders soll es in einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens vonstatten gehen! Kann man sich, von Ihnen übrigens bestätigt, besser in katholisch-kirchlichen Bahnen bewegen? Schließlich wollen die Autoren des Dokuments erreichen, dass die Bischöfe diese Kandidaten ordinieren. Wie könnte man besser die traditionellen Vorrechte des Bischofs bestätigen!

Genau diese Intention wird in Ihrem Papier aber unterschlagen. Deshalb behauptete ich schon zu Beginn, dass schon der erste Satz Ihrer Ausführungen das zentralen Anliegen des Dokuments in ein falsches Licht rückt. Am Ende verurteilen Sie mit großem Pathos, was niemand verlangt hat. Persönlich will ich Ihnen nicht Unrecht tun; vielleicht haben Sie die Intention des Dokuments wirklich nicht verstanden. Aber ich frage mich schon, wie man eine so wichtige Diskussion geradezu pathologisch in eine Perspektive rückt, mit der die Autoren nichts zu tun haben. Alle Ihre Ausführungen sprechen für einen blinden Fleck bei Ihnen, den ausgerechnet Sie anderen vorwerfen. Warum? Sie haben für die vorsichtige und nuancierte Art der folgenden Aussage keinen Blick. Ignatius, Cyprian und die anderen, die gegen Donatisten und andere Häretiker kämpften, lassen ihn leider nicht zu. Verehrter Pater Legrand, wir haben es in den Niederlanden mit keinen Häretikern zu tun, sondern mit Katholiken, denen man mehr und mehr die Möglichkeit zur Eucharistiefeier entzieht. Dazu, was Ihre dominikanischen Mitbrüder wirklich wollen, insgesamt vier Hinweise:

Erstens führt das Dokument eine Bedingung ein, die Sie übersehen. Sie tun so, als dürften jetzt Einzelne, die der Bischof zu ordinieren sich weigert, munter und ohne Rücksicht auf die bischöfliche Position die Eucharistie zelebrieren. Unsinn, antworte ich: Das Zugeständnis zur Eucharistie liegt nicht in den Händen einzelner Kandidaten. Das Dokument sagt: „Sollte ein Bischof diese Weihe oder Ordination mit Argumenten verweigern, die mit dem Wesen der Eucharistie nichts zu tun haben.“ Diese Bedingung ist überprüfbar, denn über Argumente kann man reden und theologisch argumentieren. Sie handelt vom möglichen Verhalten eines Bischofs, das gemäß den allgemein akzeptierten Kriterien nicht zu rechtfertigen ist. Über die Einführung dieser Bedingungen hätten wir von Ihnen gerne ein Urteil gehört.

Zweitens stellt das Dokument im Fall einer ungerechtfertigten bischöflichen Verweigerung nicht das Handeln eines Kandidaten, sondern einer Pfarrei, also einer Gemeinde gegenüber. Im Dokument wird genau und differenziert formuliert. Deshalb ist der Rest des Satzes genau, in drei Unterschritten zu lesen. Übrigens brachten für mich erst Ihre Angriffe diese sorgfältigen Differenzierungen ans Licht:

(1) Die folgenden Worte lauten: „dann dürfen die Pfarreien …“. Diese Gemeinde (und nicht ein selbsternannter Liturg, wie Sie suggerieren) ist es, die dann handelt bzw. handeln muss. Was wenden Sie dagegen ein? Diese Gemeinde ist dann immerhin eine Gemeinschaft, die Paulus ohne vorherige Rückfrage in Rom oder bei einem Ortsbischof mit dem Ehrentitel einer „Kirche“ ansprechen würde. Wie bekannt, gab es in Rom, Korinth und anderen Orten noch keine Priester im späteren Sinn, und doch haben sie Eucharistie gefeiert. Wie denn? Die Gemeinde kam eben zusammen und – feierte. Die Frage von Vorsteherin oder Vorsteher scheint sekundär zu sein.

(2) Das Satzende lautet: „ …unter Gebet Brot und Wein teilen“. Auch dies ist zur Beurteilung des Dokuments wichtig: Es geht schlicht und einfach um das Gebet, das Teilen von Brot und Wein. Wie, um Gottes Willen, könnte man das einer Gemeinde verbieten, wenn ihr eine Eucharistie nach den offiziellen Regeln vorenthalten wird? Sagte Jesus nicht zu allen: Tut dies zu meinem Gedächtnis? Wie solle das einer Gemeinde verboten sein, wenn ein Bischof ihr grundlos [das ist ja die Bedingung, s.o.] die Vorbedingungen dafür entzieht? Übrigens habe ich den Eindruck, dass Sie noch nie mit Mitbrüdern aus anderen Kontinenten, aus Lateinamerika, Afrika oder bestimmten asiatischen Ländern und deren Gottesdienstpraktiken gesprochen haben. Darf man sich nicht darum kümmern, dass solche Neuentwicklungen einen theologisch vertretbaren Rahmen erhalten, bevor sie zum unkontrollierten Wildwuchs auswuchern? Sie selbst stimmen doch zu, wenn die Gemeinde gemeinsam das Hochgebet und die Einsetzungsworte spricht.

(3) Jetzt erst ist auf den Einschub zu achten: Die Pfarreien dürfen darauf „vertrauen, dass sie echt und wahrhaftig Eucharistie feiern“, wenn sie unter Gebet Brot und Wein teilen. Auch Sie müssten sehen, wie vorsichtig und zurückhaltend, geradezu indirekt darüber gesprochen wird. Hier treten gerade keine Mitbrüder auf, die –wie Sie behaupten – uns selbstgerecht ihre Theorien aufdrängen wollen. Der Ausnahmecharakter der Situation und die Zurückhaltung in der Antwort sind dem Satz geradezu eingeschrieben. Es geht um ein Vertrauen, das auf den Glauben der Gemeinde beruht und in ihn eingebunden wird. Die Autoren sagen gerade nicht, dass sich dann eine Eucharistie im voll ausgereiften Sinne mit allen Dimensionen vollzieht, die ihr in der Geschichte der Kirche zugewachsen sind.

Konkret gesagt, niemand hat Anlass, die kirchliche Dimension dieses Geschehens zu leugnen und warum sollte man nicht auch jetzt des Bischofs und der ganzen Kirche gedenken? Aber wenn sachfremde Gründe diese Möglichkeiten ausschließen, wenn es die Bischöfe sind, die für die Verwaisung der Altäre sorgen, dann fallen wir eben auf die Kernbedeutung der Eucharistie zurück, auf die Erinnerung an Tod und Auferstehung, auf die Anrufung des Geistes und auf die Zeichen der Gemeinschaft mit ihm. Das Dokument sagt also: Wenn Euch als Gemeinde aus sachfremden Gründen die Gegenwart einer ordinierten Person vorenthalten wird und Ihr dann ohne Priester des Herrn gedenkt, dann vertraut darauf, dass auch dann der Herr in Eurer Mitte ist. Wer diese Notlösung inakzeptabel oder skandalös findet, sollte mit den Bischöfen als den Verursachern der Situation ein ernstes Wort reden und nicht die Betroffenen, die sich das Recht auf die Eucharistie nicht nehmen lassen, des Schismas bezichtigen. Sie haben durchaus recht: „Ohne das Herrenmahl können wir nicht sein!“ Warum eigentlich erregen Sie sich über dieses Verlangen, das Sie bei Sarturninus doch so preisen? Warum werfen Sie den niederländischen Gemeinden eine Verarmung ihrer Theologie vor, wenn sich alles um diese eucharistische Feier dreht?

Viertens werden die Pfarreien gerade nicht dazu aufgefordert, wilde Eucharistiefeiern zu initiieren. Sie, verehrter Pater Legrand, haben Zitate aus dem Dokument schlicht und einfach verfälscht. In irreleitender Weise zitieren Sie schon zu Beginn: „Wir fordern die Gemeinden auf, so zu handeln“ und wer nur Ihr Gutachten liest, entdeckt darin die simple und undifferenzierte Aufforderung zu Eucharistiefeiern gegen den Willen des Bischofs. Für sie geht es um einen selbstgerechten Aufstand, so als würde da stehen: „Kümmert Euch nicht um Eure Bischöfe und um den Auftrag der ordinierten Mitchristen!“ Ich meine: Für diese Irreführung müssten Sie sich bei den Betroffenen offiziell entschuldigen. Bei den Auftraggebern müssten sie Ihr Gutachten zurückziehen, denn Ihrem Orden tun Sie keinen Gefallen, wenn es zu deren offiziellem Sprachrohr wird. Im Dokument wird nämlich vom Selbstvertrauen und dem Mut gesprochen, mit dem die Gemeinde dieses ganze Verfahren einleiten soll: Die sorgfältige Suche nach Kandidaten, das Gespräch mit den Bischöfen und die begründete Bitte, diese zu ordinieren, nachdem er keine Priester alter Ordnung mehr zu senden weiß, die Bitte um Gründe, falls er diese Ordination ablehnt, dies alles im Bewusstsein dessen, dass sie keine Unruhestifter sind, sondern als Getaufte und als vom Geist Belehrte so handeln dürfen. Das Dokument schreibt also: „Wir plädieren dafür, dass die Gemeinden in dieser Angelegenheit mit mehr Selbstvertrauen und Mut handeln“. Es schreibt nicht: „wir drängen euch, zur Aktion wilder Eucharistiefeiern überzugehen“. Wären Sie so freundlich, dies auch von Ihrer Seite klarzustellen? Abzulegen ist die Atmosphäre der Unsicherheit und Angst, die sich inzwischen eingeschliffen hat und die für ein Klima des Vertrauens tödlich ist. Man muss den Autoren des Dokuments dankbar sein für den Versuch, den Geist wachsender Resignation zu durchbrechen.

Wer zerrüttet die niederländische Kirche?

Wem diese Zielrichtung klar ist, kann der suggestiven Kraft Ihres Dokuments widerstehen. Treu nach dem von Ihnen geschätzten Watzlawik rufen Sie den niederländischen Pfarreien leider zu: „Behalten Sie Ihr Verlangen, Sie Sektierer!“ Sie meinen sogar, der Kirche damit einen Dienst zu erweisen. Deshalb laufen auch Ihre Gegenargumente ins Leere. Keine einzige Person will gegen den bischöflichen Altar einen eigenen errichten. Die Frage ist, ob priesterlose Gemeinden ohne die zentrale Feier der Kirche bleiben dürfen. Wichtiger wäre es, Sie versammelten Ihre brennenden Kohlen auf bischöfliches Haupt. Diese, nicht die Gemeinden haben die gegenwärtige Situation zu verantworten, weil sie aus sachfremden Gründen die Ordination von so vielen verweigern, die für diesen Dienst bereitstehen. Aller Ärger, alle Frustration und alles Ungenügen, das Sie bei dieser Debatte empfinden, ist nicht von der Kirche da unten, sondern von den Bischöfen zu verantworten, deren Namen in den Niederlanden wohlbekannt sind. Wenn sich das Dokument auf die Rolle vom Volk Gottes im 2. Vaticanum beruft, dann will es nur sagen: „Auch wir gehören dazu, deshalb lassen wir uns nicht vom Recht zur sonntäglichen Eucharistiefeier ausschließen.“ Ihr Hinweis, man wisse auch nicht ein Wort des Konzils zu zitieren, sieht offensichtlich nur den Buchstaben dieses Konzils. Ihr Verdacht, eine Pyramide werde hier umgekehrt und die Bischöfe würden ausgeschlossen, ist deshalb absurd. Niemand will den Bischöfen ihre Rolle für die Einheit der Kirche bestreiten, im Gegenteil und umso schlimmer, dass sie in dieser Sache versagen. Seien wir doch realistisch. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Einheit der Kirche wegen ihrer Amtsträger zerbricht. Helfen auch Sie bitte mit, dass das nicht wieder geschieht.

Als sich niederländischen Dominikaner zu ihrem dramatischen Schritt entschlossen, wussten sie wohl nur zu gut, warum das geschah. Die gegenwärtige Situation erinnert mich an Albrecht von Brandenburg, jenen machtgierigen Bischof, der den Ablassstreit Luthers auslöste. Noch als Luther große Erfolge erzielte, erkannte er die Zeichen der Zeit nicht; er delegierte die Angelegenheit nach Rom. Kurz darauf wurde seine Haller Diözese evangelisch.

Vielleicht aber liegt der Mangel Ihrer Argumentation an einem anderen, viel entscheidenderen Punkt. Niemand bestreitet Ihnen Ihr historisches und systematisches Wissen. Aber ich vermisse Ihre genauere Kenntnis der Schrift. Sie sprechen von den Ursprüngen der Kirche und denken an die ersten Jahrhunderte danach. Sie sprechen von der Ordination und vergessen die in den Evangelien bezeugte Situation. Sie entfalten Ihr Bild von der Eucharistie, ohne dabei an das Abendmahl zu erinnern, das Jesus vor seinem Tod gefeiert hat. Sie sprechen von Priestern, ohne zu fragen, seit wann es sie denn gibt. Sie berufen sich auf die Tradition und verkennen die gegenwärtige Situation eines unerhörten Traditionsabbruchs. Solange Sie diese Perspektive in die Debatte nicht einbeziehen und solange Sie übersehen, wie sehr das Dokument der Dominikaner (so wie das Werk von E. Schillebeeckx) von biblischem Denken durchzogen ist, müssen Ihre Argumente Schiffbruch erleiden. Als Mitchrist unter Mitchristinnen und Mitchristen bitte ich Sie deshalb mit Nachdruck, wenigstens jetzt Ihren Brüdern zu helfen, damit allen Schwestern und Brüdern in einer von der Kirchenleitung verursachten Situation im Namen der Botschaft Jesu geholfen werden kann. Sie weisen darauf hin, E. Schillebeeckx habe in aller Klarheit seine „Ergebenheit“ gegenüber der Kirchenkonstitution des 2.Vaticnum bezeugt. Sie dürfen getröstet sein, an dieser Ergebenheit mangelt es keinem der Autoren des Dokuments. Deshalb wäre es auch absurd, Schillebeeckx gegen seine Mitbrüder auszuspielen. Zugleich muss Ihnen klar sein, dass Ihr Gutachten nach genauer Analyse die Position des Dokuments eher bestärkt als zu widerlegen weiß.

(Erschienen unter den Titel Antwort auf Holland in: Imprimatur 2(2008), 51-66)